Die Straßenbahn Budapest trägt zusammen mit der Metro und den elektrischen Vorortbahnen Helyiérdekű Vasút (HÉV) die Hauptlast des öffentlichen Personenverkehrs in der ungarischen Hauptstadt. Mit einer Streckenlänge von 155 km, mehr als 30 Linien und knapp 600 Fahrzeugen zählt sie zu den größten Betrieben Europas. Das Netz ist normalspurig und mit 600 V DC elektrifiziert. Genaugenommen besteht es aus zwei recht strikt voneinander getrennten Teilnetzen, die nur über einige Verbindungskurven miteinander verknüpft sind. Wendeschleifen gibt es kaum, weshalb durchweg Zweirichtungswagen oder Heck an Heck gekuppelte Tatra T5C5 mit Einstiegen auf beiden Seiten zum Einsatz kommen. Der vielseitige Betrieb wird hier nun in einer fünfteiligen Serie vorgestellt. Den Anfang machen dabei die Strecken im Stadtzentrum von Pest auf der linken Donauseite .
Geschichte
Die erste elektrische Straßenbahn in Budapest wurde 1887 von Siemens & Halske eröffnet. Es handelte sich um einen Versuchsbetrieb, der auf Kosten des Betreibers errichtet wurde. Diese erste Strecke war noch in Meterspur ausgeführt und verlief vom Bahnhof Nyugati zur Király utca. Der Abschnitt ist heute Teil der wichtigen Linie 4 und 6. Eine erste Pferdebahn war in Pest bereits 1866 eröffnet worden, noch bevor Buda und Pest 1873 zu Budapest vereinigt wurden.
Siemens & Halske bauten bald weitere Straßenbahnlinien und auch bisherige Pferdebahnlinien wurden ab 1889 elektrifiziert. Bis zum Ersten Weltkrieg entstand nach und nach eines der größten Straßenbahnnetze Europas. Eine Besonderheit war die Situation, dass es bis 1923 zwei konkurrierende Unternehmen gab: Budapesti Villamos Városi Vasút (BVVV), hervorgegangen aus der von Siemens & Halske gegründeten Gesellschaft, und Budapesti Közúti Vaspálya Társaság (BKVT), das aus einer ursprünglichen Pferdebahngesellschaft entstand. Der heutige kommunale Betreiber Budapesti Közlekedési Zártkörűen Működő Részvénytársaság (BKV) existiert seit 1967.
Offizieller Netzplan der BKV mit Metro-, HÉV- und Tramlinien (2021) (Klick hier für volle Auflösung)
Wie in vielen europäischen Städten wurden nach dem Zweiten Weltkrieg zahlreiche Strecken stillgelegt. Während die Metro ausgebaut wurde, investierte die BKV nur das Nötigste in das Straßenbahnnetz. Insbesondere Strecken in der Innenstadt wurden stillgelegt, sodass von den Außenbezirken ein Umsteigezwang auf die Metro entstand. Zahlreiche Linien der Straßenbahn enden heute an Metrostationen am Rand des Zentrums. Die Wirtschaftskrise nach der politischen Wende 1989 führte in den 1990er Jahren zu einer weiteren Stilllegungswelle. Mittlerweile hat sich die Situation wieder stabilisiert und es wurden einige Strecken neu in Betrieb genommen.
Fahrzeuge
Ganz CSMG
Bei der Straßenbahn Budapest kommen heute grob fünf verschiedene Fahrzeugtypen zum Einsatz. Die ältesten und markantesten Wagen sind die achtachsigen Doppelgelenktriebwagen des Typs CSMG. Nach zwei Prototypen in den Jahren 1964 und 1965 wurden von 1967 bis 1978 bei Ganz-MÁVAG in drei Serien 152 Stück gebaut. Sie sind 26,9 m lang und 2,3 m breit Die Fahrzeuge kommen ausschließlich in Budapest zum Einsatz. Von 199 bis 1999 wurden 30 Triebwagen grundlegend technisch modernisiert und werden seither als KCSV7 bezeichnet. Neben diesen stehen heute noch etwas mehr als 30 nicht modernisierte Wagen im Einsatz. Die Linien 2, 47, 48 und 49 in der Pester Altstadt werden ausschließlich mit diesen Fahrzeugen bedient.
Tatra T5C5
Ebenfalls eine Konstruktion eigens für Budapest sind die Tatra T5C5 von ČKD. Es handelt sich um vierachsige „unechte“ Zweirichtungswagen, die zwar beiderseits Türen besitzen, jedoch nur einen Führerstand aufweisen. Sie sind 14,7 m lang und 2,5 m breit und kommen typischerweise in Doppeltraktion Heck an Heck gekuppelt zum Einsatz. Auf den Linien 1, 1A und 14 verkehren werktags auch Dreifachtraktionen. Insgesamt wurden von 1978 bis 1984 322 Stück nach Budapest geliefert, die zum größten Teil noch im Einsatz stehen.
TW 6000
Ab dem Jahr 2002 übernahm die BKV insgesamt 114 Doppelgelenk-Stadtbahntriebwagen des Typs TW 6000 aus Hannover. Die ab 1974 von LHB und Duewag gebauten Hochflurfahrzeuge sind 28,28 m lang und 2,4 m breit und verfügen über Klapptrittstufen. Aufgrund ihrer Herkunft werden sie in Budapest „Hannoveri“ genannt.
Combino Plus
In den Jahren 2006 und 2007 erhielt die BKV von Siemens 40 Niederflur-Gelenktriebwagen des Typs Combino Plus. Die 53,99 m langen und 2,4 m breiten Fahrzeuge galten damals als die längsten Straßenbahnwagen der Welt. Im Gegensatz zu den üblichen Combino haben sie keine laufwerklosen Modeule. Die Wagenkästen sind zudem aus Stahl und nicht aus Aluminium gefertigt. Die BKV-eigene Bezeichnung lautet Combino Supra NF12B. Sie kommen hauptsächlich auf den nachfragestarken Linien 4 und 6 zum Einsatz, samstags auch auf der 1.
Urbos 3
Ab 2015 beschaffte die BKV beim spanischen Hersteller CAF Niederflur-Multigelenktriebwagen des Typs Urbos 3. Die Erstbestellung umfasste 35 Fünfteiler mit 34,1 m Länge und zwölf Neunteiler mit 56,9 m Länge. Bei diesen handelte es sich abermals um die seinerzeit längsten Straßenbahnwagen der Welt. Mittlerweile wurden Optionen auf 87 weitere Fahrzeuge eingelöst, die sich zum Teil noch in Auslieferung befinden. Die langen Urbos kommen auf die Linie 1 zum Einsatz.
Die Innenstadtstrecke zum Deák Ferenc tér
Wagen 1301 (CSMG2, Ganz 1967) am 27. Mai 2025 an der Endhaltestelle Deák Ferenc tér M
Am Deák Ferenc tér (Ferenc-Deák-Platz) im Herzen der Stadt befindet sich eine Stumpfendstelle, der man bis heute ansieht, dass die Gleise hier einst weiterführten. Dabei wurde die Strecke von hier entlang der Bajcsy-Zsilinszky út zum Bahnhof Nyugati und weiter zum Lehel tér bereits Anfang der 1980er Jahre mit dem Bau der parallelen Metrolinie 3 eingestellt.
Wagen 1400 (CSMG2, Ganz 1972) und 1448 (CSMG2, Ganz 1976) am 29. Mai 2025 an der Endhaltestelle Deák Ferenc tér M – die Strecke führte bis Anfang der 1980er Jahre hinten nach rechts weiter zum Bahnhof Nyugati.
Am Deák Ferenc tér enden die Linien 47 vom Városház tér, 48 vom Savoya Park und 49 vom Bahnhof Kelenföld, wobei die 48 nur samstags verkehrt. Die Linien zählen zum Teilnetz, das sich größtenteils auf der rechten Seite der Donau erstreckt und haben links des Flusses keine Gleisverbindung zum übrigen Netz.
Wagen 1441 (CSMG2, Ganz 1975) verlässt die Endhaltestelle Deák Ferenc tér M in Richtung Városház tér im Stadtteil Budafok auf dem gegenüberliegenden Donauufer (29. Mai 2025).
Die Strecke führt von hier in einem Bogen entlang der Ringstraße Károly körút über die Metrostation Astoria, die Múzeum körút und den Kálvin tér zur Großen Markthalle (Nagy Vásárcsarnok).
Wagen 1400 (CSMG2, Ganz 1972) am 29. Mai 2025 an der Haltestelle Fővám tér M vor der 1894 bis 1897 erbauten Großen Markthalle (Nagy Vásárcsarnok)
Die Haltestelle Haltestelle Fővám tér M befindet sich direkt vor der Großen Markthalle. Daran schließt sich die 1894 bis 1896 erbaute Freiheitsbrücke (Szabadság híd) über die Donau an, die eines der Wahrzeichen der Stadt und ein beliebtes Fotomotiv darstellt.
Wagen 1357 (CSMG2, Ganz 1971) hat am 29. Mai 2025 gerade die 1894 bis 1896 erbaute Freiheitsbrücke (Szabadság híd) überquert.
Die Linien 4 und 6
Wagen 2023 (Combino Supra NF12B, Siemens 2006) an der Haltestelle Nyugati pályaudvar M, im Hintergrund der Bahnhof Nyugati mit seinem 1874 bis 1877 nach Plänen des Pariser Architekturbüros Eiffel & Comp. erbauten Empfangsgebäude (31. Mai 2025)
Die Linien 4 und 6 zählen zu den am stärksten frequentierten der Straßenbahn Budapest. Sie beginnen am Széll Kálmán tér auf der rechten Donauseite und überqueren den Fluss auf der Margaretenbrücke (Margit híd). Von dort führen sie in einem weiten Bogen über den Bahnhof Nyugati, die Metrostation Oktogon und den Blaha Lujza tér zur Petőfibrücke (Petőfi híd).
Wagen 2037 (Combino Supra NF12B, Siemens 2007) am 31. Mai 2025 an der Haltestelle Wesselényi utca / Erzsébet körút
Dabei durchfahren sie einen belebten Teil der Innenstadt mit Einkaufszentren, Bars und Hotels und kreuzen alle vier Metrolinien, die M3 gar zweimal. Entsprechend hoch ist das Fahrgastaufkommen, sodass selbst die hier ausschließlich eingesetzten 54 m langen Combinos im Vierminutentakt (auf beiden Linien) stets gut ausgelastet sind. Sie sind im Depot Hungária kocsiszín auf der linken Seite der Donau stationiert.
Wagen 2019 (Combino Supra NF12B, Siemens 2006) am 31. Mai 2025 an der Haltestelle Boráros tér H
An der Haltestelle Boráros tér H, die sich bereits auf der Petőfibrücke befindet, besteht zudem Anschluss an die HÉV-Vorortbahn H7.
Wagen 2008 (Combino Supra NF12B, Siemens 2006) am 29. Mai 2025 an der Haltestelle Boráros tér H
Erst hinter der Brücke, wieder auf dem rechten Donauufer, trennen sich die beiden Linien. Die 4 bedient den linken Ast zur Endhaltestelle Újbuda-központ M, die 6 den rechten zur Móricz Zsigmond körtér M. Dort besteht jeweils Übergang zu den gleichnamigen Metrostationen. An der Újbuda-központ besteht zudem eine planmäßig nicht genutzte Verbindungskurve zum Netz rechts der Donau.
Nördlich der Innenstadt
Wagen 4282 (Tatra T5C5K2, ČKD 1984) und ein Schwesterfahrzeug an der Endhaltestelle Lehel tér M, links das postmoderne Einkaufszentrum Lehel Csarnok, 31. Mai 2025)
Am nördlichen Ende des wegen der parallelen Metro stillgelegten Abschnitts vom Deák Ferenc tér durch die Innenstadt befindet sich der Lehel tér. An der dortigen Metrohaltestelle beginnt die Straßenbahnlinie 14 zur Megyeri út im weit im Norden gelegenen Stadtteil Káposztásmegyer. Die Haltestelle liegt direkt vor dem 2002 eröffneten ikonischen Einkaufszentrum Lehel Csarnok. Auf der Linie 14 kommen montags bis freitags Tatra T5C5 in Dreifachtraktion zum Einsatz.
Wagen 2115 (Urbos 3, CAF 2019) am 31. Mai 2025 auf der Ringstraße Hungária körút kurz vor der Haltestelle Erzsébet királyné útja, aluljáró – die Linie 1 ist das Einsatzgebiet der 56 m langen Urbos.
Die Linie 1 führt, ähnlich wie die 4 und 6, in einem weiten Bogen von der Haltestelle Bécsi út / Vörösvári út auf der rechten Donauseite durch das links des Flusses gelegene Pest, um dann im Süden wieder auf die rechte Seite zu wechseln. Sie endet dort am Bahnhof Kelenföld. Hier kommen unter anderem die Urbos in der Langversion zum Einsatz. Sie sind beiderseits der Donau stationiert, in den Depots Hungária kocsiszín und Budafok kocsiszín.
Im zweiten Teil geht es dann um die Tramstrecke entlang der Donau mit der berühmten Linie 2.