Orsk, Oblast Orenburg
November 2021
Ausgedünnter Fahrplan, schlecht beheizte Wagen und Mangel an Personal, die Straßenbahn der Industriestadt Orsk ist in einem üblen Zustand. Dem kommunalen Betreiber fehlt das Geld, Mitarbeiter klagen in der Lokalpresse über miserable Arbeitsbedingungen und immer wieder machen Stilllegungsgerüchte die Runde. Ein Besuch bei einem Straßenbahnbetrieb in Endzeitstimmung.
Orsk liegt in der Oblast Orenburg an den südlichen Ausläufern des Uralgebirges, nur wenige Kilometer von der Grenze zu Kasachstan entfernt. Der Uralfluss teilt die Stadt in einen europäischen und einen asiatischen Teil, bildet er doch die imaginäre Grenze zwischen den Kontinenten. Die ursprüngliche Stadt entstand im 18. Jahrhundert auf der asiatischen Seite. Sie trägt heute den Namen Staryj Gorod (Alte Stadt) und hat einen recht dörflichen Charakter. Dort wurde auch der Bahnhof errichtet, welcher 1929 in Betrieb ging.
Die moderne Stadt entstand im Zuge der Industrialisierung ab den 1930er Jahren auf der europäischen Seite. Bauten des sozialistischen Klassizismus prägen diesen Teil ebenso wie Chruschtschowkas. Im Bereich um den Komsomolskaja Ploschtschad lassen sich einige markante Bauten der Sowjetmoderne finden. In den weiter draußen gelegenen Bezirken dominiert Massenwohnungsbau späterer Jahre. Rund 220.000 Einwohner leben heute in Orsk, bis in die 1990er Jahre waren es über 270.000. Nach dem Niedergang der Industrie versuchten viele ihr Glück anderswo, in den großen Zentren des Landes.
Industrie im Niedergang
Das Orsker Nickelkombinat etwa wurde 2012 geschlossen. Von dessen Abgasen sei der Schnee in der Stadt oft rot gewesen, erzählt Taxifahrer Sergej. Der Hersteller von Kühlschränken der landesweit bekannten Marke Orsk ging 2019 bankrott. Ebenso verschwunden sind in den vergangenen Jahren der Maschinenbauer Juschuralmasch sowie das Sarmat-Werk, das Anhänger für Traktoren und zu Sowjetzeiten auch Busse produzierte. Letzteres hatte einst sogar einen eigenen Straßenbahnbetrieb. Verblieben sind noch eine Raffinerie sowie die Orsker Maschinenbauwerke und das Mechanische Werk Orsk, das zum Moskauer TMK-Konzern gehört. Letztere beide produzieren Ausrüstung für die Öl- und Gasindustrie.
Man sieht der Stadt an, dass sie nicht zu den reichsten des Landes gehört. An den Stalinkas, wie die Bauten des Sowjetklassizismus landläufig genannt werden, bröckelt der Putz. Marschrutkas dominieren den öffentlichen Nahverkehr, dazwischen rumpelt hin und wieder ein KTM-5 auf desolaten Gleisen über die Straßen. Selbst die Einkaufszentren sind hier bei weitem nicht so glamourös, wie man das sonst aus Russland gewöhnt ist.
Straßenbahnbahn seit 1948
Pläne für die Straßenbahn gab es bereits in den 1930er Jahren, doch der Krieg verzögerte den Bau. Die erste Linie wurde schließlich 1948 eröffnet und führte von der neuen Stadtmitte zum Nickelwerk. Nach und nach kamen weitere Linienäste hinzu: im Osten zur Altstadt (Staryj Gorod) und weiter zum Bahnhof, im Nordosten ein Abzweig zur Raffinerie, im Norden zum Juschuralmasch-Werk (die Haltestelle heißt heute ZMK), im Nordwesten zu den Wohngebieten Mikrorajon 3S und 240-j Kwartal.
Parallel zur Innenstadtstrecke entlang des Prospekt Lenina und der Kramatorskaja Uliza gibt es noch eine zweite Route vom Komsomolskaja Ploschschad entlang des Prospekt Mira. Das erste und heute einzige Depot befindet sich am Abzweig der Strecke zum Juschuralmasch-Werk, an der Kreuzung des Prospekt Lenina mit der Uliza Neftjanikow am nördlichen Rand der Innenstadt.
In den 1980er Jahren wurde mit dem Bau einer Strecke begonnen, die die beiden Äste im Nordwesten miteinander verbinden sollte. Es standen bereits die Oberleitungsmasten, das Projekt wurde jedoch nie vollendet. Dafür gab es ab 1985 einen zweiten Straßenbahnbetrieb. Das Anhängerwerk Sarmat errichtete eine eigene Strecke von der Werkssiedlung zum Werk selbst. Sie begann in der Nähe des Bahnhofs, jedoch jenseits der Bahngleise. Eine Verbindung zum Hauptnetz gab es zunächst nicht.
Früher zwei separate Betriebe
Die Orsker Tram überstand die 1990er Jahre ohne Stilllegung, doch im Jahr 2004 wurde der Verkehr auf dem Ast zur Raffinerie eingestellt. Dort befand sich ein zweites Depot, welches noch zwei Jahre lang benutzt wurde. Mittlerweile ist die Strecke abgebaut.
Das Nebeneinander zweier Straßenbahnbetriebe hatte 2008 ein Ende. Damals wurde die Strecke der Sarmat-Werkstram mit der Strecke zum Bahnhof verbunden. Wegen der engen Platzverhältnisse war die Trasse in der Eisenbahnunterführung eingleisig. Damals wurde auch das Liniennetz umgestellt und die weitgehend heute noch vorhandenen Linien eingeführt. Die vormalige Werkslinie war jetzt Teil der Linie 5 zum 240-j Kwartal.
Dieser Zustand hielt nur etwa ein Jahrzehnt. Im Jahr 2019 schließlich wurde der Streckenast nach der Schließung des Sarmat-Werks stillgelegt. Seither gibt es nur noch eine Linie 5a, welche in der Altstadt endet. Die stillgelegte Trasse wurde mittlerweile ebenfalls abgebaut. An dieses Kapitel der Orsker Straßenbahngeschichte erinnern jedoch noch einige Wagen, die aus dem Bestand der früheren Werkstram stammen.
Veralteter Wagenpark und miserable Arbeitsbedingungen
Heute gibt es noch vier reguläre Linien und zwei, die nur zu den Stoßzeiten verkehren. Zum Einsatz kommen hauptsächlich KTM-5, deren über 40 im Bestand sind. Meist sind allerdings nur um die 30 einsatzbereit. Dazu kommt ein Dutzend KTM-8, von denen die eine Hälfte zwischen 1997 und 1999 neu beschafft wurde und die andere 2017 gebraucht aus Moskau kam. Von dort wurden im selben Jahr auch acht Petersburger LM-99AE übernommen, von denen allerdings kein einziger mehr im Einsatz ist. Außerdem wurden 2016 drei KTM-5 in Tscheljabinsk modernisiert. Sie tragen das rot-beige Farbkleid der Tscheljabinsker Straßenbahn und haben eckige Scheinwerfer. Einer davon wurde schon 2019 nach einem Motorbrand abgestellt.
Die Wagen sind in unterschiedlichen Lackierungen unterwegs und ändern ihr Aussehen auch recht häufig. Auffällig viele KTM-5 sind in blau lackiert, was sonst recht selten ist. Dabei gibt es Varianten mit Zierstreifen in unterschiedlichen Farben. Ein Teil der Wagen trägt Ganzwerbung.
Seit Jahren ist der Zustand der Orsker Straßenbahn Thema in den lokalen Medien. Die Nachrichtenseite „Ural56“ brachte im August 2021 einen größeren Artikel. Mitarbeiter klagten über Personalmangel, hohe Arbeitsbelastung, schlechtes Gehalt und Mangel an Werkzeug und Ersatzteilen. Die Fahrerinnen und Fahrer müssen demnach oft zusätzliche Schichten übernehmen, Arbeitszeiten von 300 Stunden im Monat seien keine Seltenheit, wie ein Mitarbeiter gegenüber dem Magazin sagte. Und das bei einem Durchschnittsgehalt von rund 20.500 Rubel (etwa 240 Euro).
Dauerthema in der Lokalpresse
Dazu kommt, dass der Betrieb bei den Heizkosten spart. Nach Aussagen von Fahrpersonal wird bei Außentemperaturen von null bis minus fünf Grad nur von 6:00 bis 8:30 Uhr, von 12:00 bis 14:00 Uhr und von 16:00 bis 18:00 Uhr geheizt. Bei den ohnehin nicht sehr effektiven Heizungen der KTM-5, die zudem oft undichte Türen haben, kann sich der Fahrgastraum dabei kaum langfristig aufheizen. In der Tat war es in den Wagen durchweg ziemlich kalt.
Ein anderer Mitarbeiter erzählte der Zeitung, dass die Wagen oft in bedenklichem Zustand auf die Strecke gingen. Manchmal würden sie eingesetzt, obwohl nur eins von drei Bremssystemen funktioniere. Das habe im März 2021 zu einem Zwischenfall geführt, als ein mit Fahrgästen besetzter Wagen beim Umstellen einer Weiche entlaufen sei. Die Leitung des Betriebs dementierte diese Berichte auf Anfrage von „Ural56“ und ließ wissen, dass die Sicherheitsvorschriften stets eingehalten würden. Der Vorfall vom März ist auf einem YouTube-Video dokumentiert.
Im vergangenen Dezember legte das Magazin „Orsk.ru“ nach und brachte ein Interview mit einem Werkstattmitarbeiter. Anbei wurde ein Video gezeigt, wie es in der Werkstatt in Strömen durch das Dach regnet. Der Techniker klagte, der Betrieb stelle ihnen keine Arbeitskleidung zur Verfügung und es mangle an Werkzeug und Ersatzteilen. Wegen des geringen Gehalts würden neue Mitarbeiter meist bald wieder abspringen.
Stilllegungsgerüchte Ende 2021
Den Behörden scheint offenbar wenig an der Straßenbahn gelegen zu sein. Im November 2021 wurde bekannt, dass die Oblast Orenburg eine halbe Milliarde Rubel (etwa sechs Millionen Euro) für die Anschaffung von 60 neuen Bussen für Orsk zur Verfügung stellt. In der Presse wurde umgehend gemutmaßt, dass damit die Straßenbahn ersetzt werden solle. Die Stadtverwaltung dementierte. Die Busse seien als Ergänzung zu Tram und Marschrutka vorgesehen. Orsker Bürger starteten derweil eine Online-Petition zum Erhalt der Straßenbahn, wie „Orsk.ru“ meldete.
Ende November wurde dann die erneute „Ausschreibung“ des Straßenbahnbetriebs für das erste Quartal 2022 bekanntgegeben. Für 326.811 zu fahrende Kilometer erhält der Betreiber 18 Millionen Rubel (etwa 210.000 Euro). Dabei steht außer Frage, dass der einzige Bieter das kommunale Verkehrsunternehmen Orskgortrans ist. Wie es danach weitergeht, steht in den Sternen. Alexander, ein anderer Taxifahrer, glaubt es zu wissen: „Im Jahr 2024 wird die Straßenbahn dicht gemacht, ebenso wie die in Nowotroizk und der Trolleybus in Orenburg.“ Er habe da seine Quellen.
Desolater Betrieb, doch reizende Fotomotive
Wer sich nicht auf orakelnde Taxifahrer verlassen will, sollte jedenfalls bald einen Ausflug nach Orsk in Erwägung ziehen. Zwar halten sich russische Straßenbahnbetriebe oft selbst unter den widrigsten Bedingungen zäh, doch letztlich kann es auch ziemlich schnell gehen mit der Stilllegung. Und Orsk hat aus fotografischer Sicht einiges zu bieten.
Mein Besuch war im November 2021, es war schon winterlich kalt und es lag erster Schnee. Dazu kam ein fieser Wind, der die gefühlte Temperatur deutlich nach unten drückte. Die Kälte hier sei oft schwerer zu ertragen als in Sibirien, meinte Artjom, der in Orsk lebt und mir ein wenig die Stadt zeigte.
Die Anreise mit dem Zug aus Moskau dauert etwa 36 Stunden. Die tägliche Verbindung verlässt den Kasaner Bahnhof um 15:08 Uhr und kommt zwei Tage später recht unkomfortabel um 5:15 Uhr morgens an. Die Straßenbahn fährt da noch lange nicht. Zu meiner Unterkunft im Stadtzentrum kam ich also mit dem Taxi.
Entlang der Gleise: die Innenstadt
In der Innenstadt folgt die Straßenbahn über viele Kilometer lang dem Prospekt Lenina. Der zentrale Platz ist der Komsomolskaja Ploschtschad, hier befinden sich das 1976 erbaut Rathaus und das Puschkin-Theater, das im typisch postsozialistischen Stil renoviert wurde. Direkt gegenüber dem Theater zweigt die Strecke entlang des Prospekt Mira ab. Wir folgen nun jedoch zunächst dem Prospekt Lenina nach Süden.
Es geht vorbei am Einkaufszentrum Ring Plaza und am markanten Post- und Telekommunikationsgebäude von 1972. Die rechts und links von einfachen fünfgeschossigen Backsteinbauten gesäumte Straße führt geradewegs auf den Kulturpalast der Maschinenbauer zu. Der majestätische Bau mit seinen vorgelagerten Säulen ist heute ein Einkaufszentrum, unterhalb der Skulpturengruppe auf dem Dach prangt Werbung für einen Magnit-Supermarkt.
Die Straßenbahn biegt nach links in die Kramatorskaja Uliza ein und hält am Ploschtschad Schewtschenko. Ab hier wird die Bebauung älter, typische Häuser des sozialistischen Klassizismus prägen das Bild für eine Weile.
Drei Linien durch die Kramatorskaja Uliza
Am Ploschtschad Wasnezowa fallen zwei große Wandbilder ins Auge, eins mit einem Adler, eins mit einem Pferd. Gegenüber befindet sich das Einkaufszentrum Uniwermag aus Sowjetzeiten, das zumindest im Inneren einen gewissen Charme dieser Epoche behalten hat.
Hier verkehren die Linien 2, 3 und 5A, alle laut Fahrplan im 18-Minuten-Takt. Oft kommen alle drei dicht hintereinander, wonach wieder eine längere Pause folgt. Der Fahrplan wird in der Regel nicht exakt eingehalten.
An der Haltestelle Prospekt Mira treffen die beiden Streckenäste wieder aufeinander. Hier steht das markante blaue Gebäude des Mechanischen Werks Orsk mit seinem großen Mosaik, das eine Friedenstaube zeigt. Auf einer Brücke wird eine Eisenbahntrasse überquert und schon gabelt sich die Straßenbahnstrecke wieder.
Von Europa nach Asien
Links führen die Linien 1 und 2 zum Bahnhof Nikel, rechts die 3 und die 5A in Richtung Altstadt. Die Haltestelle nennt sich Ploschtschad imeni Gagarina, in der Nähe der Gleise wurde vor einigen Jahren ein Militärflugzeug vom Typ Il-28 als Denkmal aufgestellt. Es ersetzte eine Stele mit Rakete, die zum Gedenken an den ersten Mann im Weltraum, Jurij Gagarin, errichtet worden war. Krieg statt Raumfahrt, so ändern sich die Prioritäten.
Wir folgen zunächst der Trasse in Richtung Altstadt, die nun kilometerlang parallel zu einer namenlosen Straße verläuft. Nach einem Waldstück wird die Brücke über den Uralfluss überquert. Schilder markieren den Übergang von Europa nach Asien.
Nach der Brücke geht es noch ein Stück weit der Straße entlang, bis diese nach links abbiegt. In der Nähe eines kleinen Ladenzentrums befindet sich die Haltestelle Sowjetskaja Uliza. Wir sind nun im alten Kern von Orsk.
Dörfliches Flair: der Abschnitt durch die Staryj Gorod
Ab hier folgt eine regelrecht dörfliche Passage abseits aller Straßen. Entlang der Gleise führt nur ein Trampelpfad und es geht zwischen Einfamilienhäusern hindurch.
Am Ende dieses idyllischen Abschnitts folgt die Haltestelle Uliza 9-go Janwarja, danach biegt die Trasse nach links in die gleichnamige Straße ein.
Einen knappen Kilometer weiter endet die Linie 5A an der Wendeschleife Staryj Gorod. Idyllische russische Holzhäuser prägen hier das Bild.
Die letzten Kilometer zum Bahnhof Orsk
Bis zum Bahnhof sind es noch einmal rund dreieinhalb Kilometer, zunächst durch die alte Siedlung, dann durch ein Gewerbegebiet, immer in Seitenlage der Straße.
Am Bahnhof endet die Strecke etwas abseits am Rande des Vorplatzes. Die große Wendeschleife umrundet ein mit PO-2-Betonzaun umfriedetes Betriebsgelände. Kurz zuvor wird die Unterführung passiert, durch die einst die Linie 5 zum Sarmat-Werk führte. Artjom erinnert sich, dass in den 2000er Jahren die Wagen der Werksstraßenbahn immer top gepflegt waren, die Wagen der städtischen Straßenbahn dagegen seien schon damals in einem miserablen Zustand gewesen. Die Lage der Gleise ist noch zu erkennen, doch im vergangenen Jahr wurde die Strecke abgebaut.
Die Strecke zum ehemaligen Nickelwerk
Die Strecke zum einstigen Nickelwerk folgt vom Ploschtschad imeni Gagarina der Uliza Stroitelej entlang der Wohnbebauung, zweiweise verläuft sie parallel zur Bahnlinie in Richtung Nowotroizk und Orenburg. Sie endet in einer Wendeschleife direkt vor dem Empfangsgebäude des Bahnhofs Nikel, dem zweiten Fernbahnhof der Stadt. Rund einen Kilometer vor dem Streckenende zweigte einst der Ast zur Raffinerie ab. Er überquerte die Bahnstrecke auf einer Brücke, auf der heute noch Gleisreste zu erkennen sind.
Die Verbindung entlang dem Prospekt Mira zum Komsomolskaja Ploschtschad verläuft in Mittellage, rechts erstrecken sich die Bauten des Mechanischen Werks Orsk, links Wohngebäude. Am Komsomolskaja Ploschtschad trifft sie wieder auf die anderen Linien.
Blick ins Depotgelände
Von hier geht es auf dem Prospekt Lenina zunächst an Chruschtschowkas, dann an Stalinkas entlang. Beim Kino Mir zweigt nach Osten die Strecke ins Industriegebiet zur Endhaltestelle ZMK ab.
Hier befindet sich das Depot. Es ist sowohl vom Prospekt Lenina als auch von der Uliza Neftjanikow her angebunden. Von letzterer führt eine kurze Stichstrecke zwischen den Wohnhäusern der Uliza Korolenko bis zum Tor.
Der Abzweig ins Industriegebiet
Die Strecke zum Industriegebiet kommt noch am Pionierpalast mit seinem schönen Relief vorbei und folgt dann viele Kilometer der Orskoje Schosse, parallel zu einer Güterstrecke der Eisenbahn. Hier verkehrt regulär nur die Linie 2, in den Stoßzeiten zudem die Linien 7 und 8.
Es geht durch weitläufiges Industriegelände, vorbei an einem Kraftwerk und unter beeindruckenden Fernwärmerohren hindurch bis zur etwas verlassen in der Landschaft gelegenen Endhaltestelle. Bei meiner Fahrt dorthin war ich der einzige Fahrgast und auch auf dem Rückweg waren zunächst außer mir nur die Fahrerin und der Schaffner im Wagen. Es gab Taktlücken von gut 40 Minuten, dann kamen zwei Wagen in Kolonne.
Im Norden der Innenstadt
Die Hauptstrecke folgt von der Haltestelle Kinoteatr Mir weiter dem Prospekt Lenina mit seinen Chruschtschowkas. Auch hier zieren einige Wandbilder jüngeren Datums die Fassaden.
Zwei Haltestellen weiter, an der Tbilisskaja Uliza gabelt sich die Strecke erneut.
Die Strecke zum 240-j Kwartal
Wir folgen zunächst dem Ast zur Endstation 240-j Kwartal, der nach links in die Gomelskaja Uliza abzweigt.
Hier beherrschen Wohnblocks der späten Sowjetzeit die Szenerie, während an der Endhaltestelle auch eine Siedlung mit Einfamilienhäusern anschließt, die einen geradezu dörflichen Charakter hat. Hierher führen die Linien 2 und 5a sowie die Verstärkerlinie 7.
Zur Endstation Mikrorajon 3S
Der letzte Streckenast folgt weiter dem Prospekt Lenina bis zum Ende. Die typisch sowjetisch breite Straße mit ihren imposanten Laternen führt geradewegs auf einen Riegel aus Wohnblocks zu. Die Straßenbahn endet in einer Wendeschleife mit einem grünen Wartehäuschen aus Blech. In älteren Plänen ist die Haltestelle auch als Jelschanka bezeichnet, nach der benachbarten Siedlung. Rund herum befinden sich Einkaufszentren, Autowaschanlagen und ein Baumarkt, typischer Stadtrand.
Von hier kann man mit der Linie 3, der längsten des Netzes, bis hinüber zum Bahnhof Orsk auf der asiatischen Seite fahren. Doch wie lange noch?
Düstere Aussichten
Ob die Orsker Straßenbahn eine Zukunft hat, ist mehr als fraglich. Mit dem jetzigen Budget kann es wohl noch ein paar Jahre so weitergehen, aber das Rollmaterial hält nicht ewig. Und selbst wenn man noch einmal ein Dutzend Gebrauchtfahrzeuge aus Moskau holt, dann werden das keine KTM-5 oder KTM-8 sein, die sich mit einfachen Mitteln warten und reparieren lassen. Hier ist eine komplette Erneuerung sowohl der Infrastruktur als auch des Rollmaterials und der Werkstatt nötig, wenn man die Straßenbahn wieder zu einem attraktiven Verkehrsmittel machen will.
Marschrutkas, teils im Fünf-Minuten-Takt, haben der Tram längst einen Großteil der Fahrgäste abgeworben. Für die spricht aus deren Sicht meist nur der Preis, der mit 17 Rubel (bei Kartenzahlung 15) deutlich unter dem für die Fahrt mit der Marschrutka liegt, welche auf kurzen Strecken in der Stadt 25 Rubel kostet.
Viele Fahrgäste der Straßenbahn sind Rentner und Schüler, die noch einmal ermäßigte Tarife zahlen. Die Einnahmen sind daher auch überschaubar. Die Stadtverwaltung scheint weder den Willen noch die Mittel zu haben, mehr als absolut nötig in den Betrieb zu investieren. So fährt die Orsker Straßenbahn weiter auf Verschleiß, so lange bis es eben nicht mehr geht.