Die reaktivierte Straßenbahn Reșița

In den Banater Bergen im Westen Rumäniens liegt die knapp 60.000 Einwohner zählende Stadt Reșița, auf deutsch Reschitz genannt. Der Ort ist seit dem 18. Jahrhundert ein Zentrum der Metallverarbeitung, und bereits zur Zeit der Habsburgermonarchie gab es hier eine Lokomotivfabrik. Im Jahr 1925 wurde Reșița zur Stadt erhoben und entwickelte sich in der Folge vor allem im sozialistischen Rumänien zu einem bedeutenden Industriestandort.

Die Piața 1 Decembrie 1918 im Stadtzentrum mit dem 1984 errichteten kinetische Brunnen des rumänischen Bildhauers Constantin Lucaci und der Mehrzweckhalle Sala Polivalentă

Sowohl das Zentrum als auch große Teil der Wohnsiedlungen sind von dieser Zeit geprägt. Wahrzeichen der Stadt ist eine allerdings seit Jahren stillgelegte Materialseilbahn. An die Lokomotivproduktion erinnert ein Dampflokmuseum unter freiem Himmel. Per Bahn ist die Stadt von Timișoara Nord aus mit Regio Călători und von Caransebeș mit der CFR erreichbar. Seit Ende 2024 verfügt Reșița wieder über eine Straßenbahn. Die besteht aus einer Linie, die parallel zum Fluss Bârzava durch das langgestreckte Stadtgebiet führt.

Ein Dieseltriebwagen der Reihe 628 von Regio Călători erreicht den Bahnhof Reșița Nord.

Straßenbahn ab 1988

Der Betrieb war ursprünglich erst 1988 eröffnet worden. Rumänien hatte in den 1980er Jahren versucht, durch den Ausbau von Straßenbahn- und Trolleybusnetzen den teuren Ölimport zu verringern. Die Straßenbahn Reșița war nach Cluj-Napoca, Craiova und Ploiești die letzte, die in Betrieb genommen wurde, ein Jahr vor der rumänischen Revolution.

Der Betrieb kämpfte von Anfang an mit technischen Schwierigkeiten infolge schlechter Bauausführung und der desolaten wirtschaftlichen Lage. Anfangs kamen Wagen des Typs Timiș-2 aus rumänischer Produktion zum Einsatz. Bereits 1994 wurde der Betrieb wegen des schlechten technischen Zustands erstmals eingestellt, konnte jedoch im Folgejahr wieder aufgenommen werden. 1996 wurden die Timiș-2 durch gebrauchte Duewag GT8 aus Dortmund und N aus Frankfurt am Main ersetzt. 2011 war erneut Schluss; Busse übernahmen den Verkehr.

Pläne zur Reaktivierung ab 2019

Im Jahr 2019 entschied sich die Stadtverwaltung für die Wiedereinführung der Straßenbahn, wobei auf Fördergelder der Europäischen Union zurückgegriffen werden konnte. Das österreichische Unternehmen Porr erhielt den Auftrag zum Neubau der Gleisanlagen; die Ausschreibung für die Fahrzeuge konnte der türkische Hersteller Durmazlar aus Bursa für sich entscheiden.

Die einzige Linie führt von der Haltestelle Terminus am Rande einer Wohnblocksiedlung im Norden größtenteils straßenbündig entlang des Flusses Bersau durch die Innenstadt und die Industriegebiete zur Haltestelle Montană im Südosten. Zwei kurze Abschnitte an beiden Enden wurden nicht wieder aufgebaut: im Norden zur Haltestelle RENK und im Süden zur Haltestelle Stavila.

Das neue Depot der Straßenbahn Reșița entstand an der nördlichen Endhaltestelle Terminus. Der Betreiber Transport Urban Reșița beschaffe 13 nur 18 m lange zweiteilige Gelenktriebwagen des Typs Panorama. Sie bieten 33 Sitzplätze bei einer Gesamtkapazität von 134 Fahrgästen. Ein Teil hat gelbe Dachleisten, ein anderer grüne.

Die Trasse der 8,4 Kilometer langen Normalspurstrecke ist teilweise als Rasengleis in Mittellage der Straßen ausgeführt. Auf manchen Abschnitten gibt es kombinierte Fahrspuren für Bus und Tram. Die Strecke ist durchgehend zweigleisig und mit 600 V DC elektrifiziert. An einigen, aber nicht allen Haltestellen gilbt es Fahrkartenautomaten, an denen Papiertickets und Chipkarten für Abonnements erhältlich sind. Für letztere ist jedoch eine rumänische Personalausweisnummer nötig. Zudem sind Tickets über eine mobile Anwendung erhältlich. Gefahren wird alle acht bis neun Minuten.

Entlang der Wohnblocks von Govândari

Die Endhaltestelle Terminal befindet sich bei einem Einkaufszentrum am nördlichen Stadtrand. Hier macht sich gerade Wagen 2 (Panorama, Durmazlar 2023) auf den Weg durch die Stadt.

Der heutige Ausgangspunkt der Strecke ist der nördliche Rand des Wohnblockviertels Govândari aus den 1960er Jahren. Offiziell heißt das Viertel Lunca Bârzavei. Direkt an der Endhaltestelle Terminal befindet sich ein Einkaufszentrum mit aus Deutschland bekannten Ladenketten wie Kaufland, DM, Deichmann und Takko.

Wagen 7 (Panorama, Durmazlar 2023) erreicht die Haltestelle Ion Chichere.

Von hier folgt die Strecke auf einer begrünten Trasse dem Bulevardul Republicii. Nach etwa einem Kilometer ist die Haltestelle Victoria erreicht, wo sich das Zentrum von Govândari mit der Verklärungskirche und dem Museum des Banater Berglands befindet.

Von der Haltestelle Victoria ist nach einem kurzen Fußweg der Bahnhof Reșița Nord erreicht. Hier ist Wagen 8 (Panorama, Durmazlar 2023) auf dem Weg nach Norden. Links ist das Museum des Banater Berglands zu sehen.

Nach einem weiteren Kilometer überquert die Strecke zum ersten Mal die Bârzava.

Am Flussufer durch Lunca Pomostului

Wagen 3 (Panorama, Durmazlar 2023) nahe der Haltestelle Gratz

Auf der anderen Flussseite passiert die Strecke zunächst das Dampflokmuseum, wo sich auch eine Haltestelle befindet. Es geht nun straßenbündig bis zum Stadtzentrum.

Wagen 4 (Panorama, Durmazlar 2023) nahe der Haltestelle Nicolae-Titulescu

Auf dem Weg dorthin befindet sich am gegenüberliegenden Ufer ein weiteres Einkaufszentrum mit einer Kaufland-Filiale.

Das engere Stadtzentrum mit der Piața 1 Decembrie 1918 umfährt die Straßenbahn in einem Bogen, hier Wagen 13 (Panorama, Durmazlar 2023) auf dem Bulevardul Revoluţia din Decembrie.

Auf dem Bulevardul Revoluţia din Decembrie beschreibt die Strecke der Straßenbahn Reșița im Westen einen Bogen um das Stadtzentrum mit dem kinetischen Brunnen und dem Einkaufszentrum Nera, bevor sie sich nach Osten wendet und abermals die Bârzava überquert.

Durch Reșița Română zum Stahlwerk

Wagen 11 (Panorama, Durmazlar 2023) passiert auf der Strada Libertăţii das 1952 erbaute Magazinul Universal din Reșița. Tram und Bus teilen sich hier die Fahrspur.

Vorbei am ehemaligen Busbahnhof und dem leerstehenden Kaufhaus Magazinul Universal din Reșița mit seiner markanten 50er-Jahre-Architektur geht es straßenbündig in Richtung Industriegebiet. Der Stadtteil nennt sich Reșița Română.

Wagen 9 (Panorama, Durmazlar 2023) vor der Kulisse des Stahlwerks auf der Strada Libertăţii

Bald sind hinter den Gebäuden die Schlote des Stahlwerks zu sehen.

Wagen 9 (Panorama, Durmazlar 2023) an der Haltestelle Diaconovici Tietz

An der Strada Traian Lalescu senkt sich die Trasse ab um in einer Unterführung die Strada Mihai Viteazu zu queren.

Wagen 7 (Panorama, Durmazlar 2023) hat hier gerade die Unterführung an der Strada Traian Lalescu verlassen.

Hier befindet sich einer der Eingänge zum Stahlwerk; Rampen für Pkw und Treppen für Fußgänger verbinden die beiden Straßenebenen miteinander.

Am Hochofen Nr. 2

Wagen 8 (Panorama, Durmazlar 2023) an der Unterführung an der Strada Traian Lalescu; die obere Straßenebene bildet die Zufahrt zum Stahlwerk.

Das einst unter dem Namen Kombinat Siderurgic Reșița firmierende Stahlwerk mit mehreren Hochöfen existiert heute noch in verkleinerter Form als Elektrostahlwerk. Es produziert unter dem Namen Artrom Steel Tubes Rohrknüppel, die im Werk Slatina in Südrumänien zu nahtlosen Rohren weiterverarbeitet werden. Das Unternehmen ist in der Hand des Konzerns GLGH Steel aus Chicago, nachdem es lange Zeit vom russischen TMK-Konzern gehalten wurde.

Wagen 7 (Panorama, Durmazlar 2023) vor der beeindruckenden Kulisse des stillgelegten Hochofens Nr. 2.

Hinter der Unterführung eröffnet sich der Blick auf den Hochofen Nr. 2 aus den 1960er Jahren. Dieser war bis 1992 in Betrieb und ist heute der letzte erhaltene Hochofen in Reșița. Er steht unter Denkmalschutz und es gibt eine lokale Initiative, die hier einen Museumspark einrichten will. Der Eigentümer steht dem Vorhaben laut Presseberichten positiv gegenüber. Bislang verfällt die Anlage jedoch.

In der Altstadt

Wagen 9 (Panorama, Durmazlar 2023) an der Haltestelle Școala Pittner

Nun ist der Stadtteil Muncitoresc erreicht, die Altstadt von Reșița. Nach etwa einem halben Kilometer entlang der Strada Paul Iorgovice ist die Endhaltestelle Montana erreicht. Die weitere Strecke bis Stavila, die noch einmal die Bârzava überquerte, wurde nicht wiederherstellt.

Positiver Gesamteindruck

Das Beispiel der Straßenbahn Reșița zeigt, dass das Verkehrsmitteln auch in kleineren Städten sinnvoll eingesetzt werden kann. Begünstigend wirkt hier die Siedlungsstruktur entlang der Bârzava, sodass eine Hauptverkehrsachse mit hohem Aufkommen besteht. Die Straßenbahn scheint von den Fahrgästen gut angenommen zu werden. Die Auslastung insbesondere zwischen dem Stadtzentrum und Govândari war sehr gut.

Durch die komplett neu erstellte Infrastruktur hat Reșița nun den modernsten Straßenbahnbetrieb in ganz Rumänien. Sowohl die Ausstattung der Haltestellen als auch die Trassierung mit viel Grün können überzeugen. Es wird sich noch zeigen, ob die Fahrzeuge mit ihrer geringen Kapazität nicht doch etwas unterdimensioniert sind.

Die Aufnahmen entstanden am 25. Juli 2025.

Literatur und Links

Andrew Phipps / Robert Schwandl: Tram Atlas Südosteuropa. Berlin 2023.

Transport Urban Reșița (Offizielle Betreiberseite)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert